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R. Garrigou-Lagrange: Mystik und christliche Vollendung
Mystik und christliche Vollendung
Das hier nun wieder auf Deutsch vorliegende Werk Perfection chrétienne et Contemplation selon S. Thomas d\'Aquin et S. Jean de la Croix (1923; dt. 1927; ital. 1933; engl. 1937) galt schon bald nach seinem Erscheinen als klassisch. Zum einen widerlegte es erneut das freilich bereits seit den großen Werken eines Tomás de Vallgronera, Louis Bail oder Philippus de Trinitate höchst fragliche, bis zur Stunde sich jedoch hartnäckig haltende Vorurteil, das Scholastik und Mystik als zwei völlig inkompatible Größen betrachtet. Dies zeigt nicht nur der Titel der französischen Ausgabe, der den Aquinaten als Fürsten der Scholastik und den bedeutendsten spanischen Mystiker, Johannes vom Kreuz, zusammenbindet. Bereits in seiner Einleitung weist der Autor auch darauf hin, daß Thomas sowohl die erworbene wie die eingegossene Weisheit in höchstem, alle anderen Theologen überragendem Maße besaß und auch die Enyzklika Studiorum ducem Pius XI. den Aquinaten ausdrücklich als Lehrer des geistlichen Lebens empfiehlt. So zeigt dann das ganze Buch, wie vollkommen die Lehrgebäude der beiden Heiligen sich zu einer Synthese des geistlichen Lebens zusammenschließen lassen: Thomas legt, zumal im zweiten Teil seiner Summa theologiae, die wesentlichen Fundamente, während Johannes vom Kreuz die Ausentwicklung der übernatürlichen Wurzelprinzipien bis hin zur vollen Entfaltung beschreibt. Diese von Garrigou-Lagrange hier vertretene These erreichte gleichsam ihre Krönung in der Erhebung des Johannes vom Kreuz zum Kirchenlehrer im Jahre 1926, die wesentlich auf das entsprechende positive Votum Garrigou-Lagranges, in dessen Hintergrund natürlich der Erfolg dieses Werkes stand, zurückgeht.
Zum anderen zeigt es klar, daß nach allen bedeutenden Vertretern der klassischen Theologie sowie allen großen Mystikern, die aszetische Übung und das Streben nach mystischen Gnaden nicht getrennt werden dürfen, sondern im Interesse einer Einheit des geistlichen Lebens einander organisch zugeordnet werden können. Mit seinem Mitbruder Vallgornera, der auch bis hin zur Gliederung des hier vorliegenden Buches dessen Autor stark beeinflußt hat, lehrt Garrigou-Lagrange immer wieder: Wie das Gebot der Gottesliebe keine Grenzen kennt, so dürfen und sollen alle Christen nach der mystischen Beschauung verlangen! Sie ist als die volle Entfaltung der Taufgnade, als Ziel des Weges zur Heiligkeit, der in der visio beatifica seine Erfüllung findet, zu betrachten. Das mystische Leben ist die „normale" Krönung des spirituellen Lebens. Daher ist es auch nicht notwendigerweise mit Phänomenen wie Ekstase, Visionen usw. verbunden. Die Aszetik wird so nicht zu einem ausgedehnten Vorhof der Mystik, über den die meisten Christen nie hinauskommen, sondern beide verhalten sich zueinander mit fließenden Übergängen. Zwar sind beide noch klar zu unterscheiden: die Aszetik handelt zuerst vom Reinigungsweg der Anfänger, d.h. der Abtötung, der Überwindung der Fehler und der mit Hilfe der aktuellen Gnade erworbenen Tugenden. Aber die Mystik beginnt sogleich mit dem sich daran anschließenden Erleuchtungsweg, der geprägt ist von dem Gehorsam gegenüber der Führung durch den Heiligen Geist, von der eingegossenen Beschauung der Glaubensgeheimnisse, der daraus erwachsenden Vereinigung mit Gott und gelegentlich auch von außergewöhnlichen Gnaden (Visionen usw.). In dieser Perspektive ist die eingegossene Beschauung als Herz der Mystik die „normale" Betätigung der Gaben des Heiligen Geistes, die allen in der Gnade Stehenden geschenkt sind, und damit ist sie auch allen strebenden Seelen zugänglich sowie moralisch notwendig zur letzten Vollkommenheit des christlichen Lebens, die für uns die letzte Vorstufe der unverhüllten Schau Gottes in der Ewigkeit ist.
So gelingt es Garrigou-Lagrange hier, ähnlich wie in seinen Arbeiten zur Fundamentaltheologie, die berechtigten Anliegen der neuen, häufig vom Modernismus instrumentalisierten mystischen Bewegung aufzunehmen, sie aber so in den Rahmen der klassischen Theologie, genauer des Thomismus, einzufügen, daß deren problematische Aspekte zurückgedrängt werden. Obgleich die Diskussionen über die zwei dargestellten Thesen noch einige Zeit die Gelehrten beschäftigten und auch der Zweig der jesuitischen Spiritualität eine deutlich andere, dem Neomodernismus keine echte Alternative bietende Richtung eingeschlagen hat, setzten sich die zentralen Thesen des Werkes verhältnismäßig schnell durch. So veranstaltete der Karmeliterorden im Jahr 1923 in Madrid einen außerordentlichen internationalen Kongreß, der in der Kontroverse um die eingegossene Beschauung zu einer Lösung kommen sollte und der sich in seinem Ergebnis voll den grundlegenden Thesen des Dominikanergelehrten anschloß.

Mit seinen fast tausend Veröffentlichungen sowie seinem intellektuellen Engagement in den theoligischen Zeitfragen hat er Geschichte geschrieben. Dies gilt in besonderer Weise für das hier vorliegende Werk, mit dem er die Reichtümer der thomistischen Spiritualität dem Vergessen entrissen hat und zu einem der angesehensten Meister der klassischen mystischen Theologie wurde. Gerade heute, in einer Zeit, in der „Mystik" und „Spiritualität" nach dem Scheitern der Entsakralisierungswelle eine neue Hochkonjunktur erleben, besitzt der hier neu aufgelegte Leitfaden Garrigou-Lagranges zur spirituellen Theologie eine große Aktualität. Er erschließt uns auf beeindruckende Weise eine Spiritualität, die nicht nur überzeugend an den hl. Thomas von Aquin sowie die großen Mystiker aus dem Karmeliterorden anknüpft, sondern auch objektivistisch, theozentrisch und glaubenstreu ist. Dies alles ist entworfen vor einem existentiell glaubhaften Hintergrund, von einem frommen, edlen Geist, der ganz der Beschauung hingegeben und bereit ist, das Geschaute auch weiterzuvermitteln: „P. Garrigou-Lagrange sitzt nicht nur vor seinen Lesern gleichsam auf dem Lehrstuhl, er kniet neben oder vor ihnen auf dem Betstuhl!" (David Berger, Einleitung)


ISBN 978-3-936741-01-8; Erscheinen: Nachdruck Juli 2012 - lieferbar
insgesamt ca. 580 Seiten, kartoniert; Format: 16 x 23,5 cm
Bestell-Nr.: 3-926741-01-8 Preis: 54,- EUR Direkt bestellen  Direkt bestellen Warenkorb  In den Warenkorb
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