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Paul Hacker: Das ICH im Glauben bei Martin Luther
Das ICH im Glauben bei Martin Luther
Schon bald nach dem Erscheinen 1966 wurde das Buch vom Markt genommen. Es war zu brisant und paßte nicht mehr zum neuen Geist der Ökumene. Jahrzehntelang hat man versucht, es zu verschweigen - umsonst. Es blieb im Gedächtnis vieler und ist nach wie vor eines der bedeutendsten Werke zu Martin Luther.

Papst Benedikt XVI. im Vorwort: In einem freilich ist dieses Buch in der Tat unmodern: in der Entschiedenheit, in der es die Frage nach der Wahrheit, nach der wirklichen Treue zum Evangelium stellt ... .
(...) Deshalb liegt in der Leidenschaft zur Wahrheit, die in diesem Buch lebt, ein Ferment, das dem ökumenischen Gespräch nur dienen kann.

Papst Benedikt XVI.  in seinem Buch: Aus meinem Leben, 1997: In der Genauigkeit seiner Textanalysen ist er bis zuletzt unübertroffen geblieben. ..., sein Werk wird heute kaum beachtet, wird aber - davon bin ich überzeugt - eines Tages wieder entdeckt werden und noch vieles zu sagen haben.

Nachdem dieser Titel seit Anfang 2008 vergriffen war, liegt damit nun eine auf Fehler durchgesehene und neu gesetzte Ausgabe dieses wichtigen Werkes vor. 


David Berger in einer Rezension des Werkes in Die Tagespost:

Hackers exakte Textanalysen bestätigen Schelers These

Was der bekannte Philosoph Max Scheler schon 1920 über den Fiduzialglauben bei Luther schrieb, daß letzterer „hier für die Religion nur dasselbe tat, was Descartes für die Philosophie getan" habe, daß das von Descartes ausgehende moderne Denken letztlich als ein philosophische Explikation und Säkularisierung der Lehre Luthers erscheint, das sieht Hacker durch seine Forschungen, die sich nicht zuletzt durch eine überzeugende Genauigkeit der Textanalysen auszeichnen, auf der ganzen Linie bestätigt.

Hacker unterscheidet mit vielen anderen Lutherforschern zwischen einem vorprotestantischen und einem protestantischen Luther. Ersterer begegnet uns bezüglich der anstehenden Frage vor allem in der Römerbriefvorlesung von 1515/16, letzterer am deutlichsten im so genannten großen Galaterkommentar (1531–1535). Trotz mancher mißverständlicher Aspekte, die sie enthält, sieht er die vorprotestantische Theologie Luthers als „groß, original und geistvoll" an. Ihre Werte sollen „um der Katholizität und um des Zieles einer Wiedervereinigung willen für die Kirche fruchtbar gemacht werden." Um dieses ökumenische Anliegen aber zum Erfolg zu führen, dürfen zugleich die Grenzen Luthers nicht verschwiegen werden: Hacker sieht sie grundgelegt in der These vom reflexiven Glauben, die das Herz der protestantischen Theologie Luthers bildet.

Bereits der große Dominikanergelehrte Kardinal Cajetan hatte mit Scharfsinn den Knackpunkt der Kontroverse erkennend im Oktober 1518 auf dem entscheidenden Zusammentreffen mit dem Reformator in Augsburg von diesem verlangt, seine These zu widerrufen, nach welcher der Mensch nur durch den Glauben gerechtfertigt werde. Und zwar durch den Glauben der Gewissheit, daß „er werde gerecht, und durchaus nicht zweifle, er werde die Gnade erlangen. Denn wenn er zweifelt und ungewiss ist, kann er eben deshalb nicht gerecht werden und speit die Gnade aus."

Hacker kann nun zeigen, daß Luther zu dieser von Cajetan als irrige Neuerung bezeichneten These durch eine Neuordnung der Elemente, mit deren Hilfe die traditionelle Theologie den Glaubensakt erklärt, kam: Der Gewißheitsakt tritt an die Stelle des in der katholischen Theologie den Glauben begleitenden Vertrauensaktes. Er selbst versteht sich als den eigentlichen, mit Vertrauen identischen Glauben. Entsprechend wird das überlieferte Credo von Luther zwar noch beibehalten. Sein Wert bemißt sich aber allein an dessen „Bedeutsamkeit für die Erzeugung der Reflexivität". Die heute vor allem noch im Bereich der deutschsprachigen Religionspädagogik konfessionsübergreifend fröhlich Urständ feiernde Polemik Luthers gegen das Glauben als „Festhalten" und „Anerkennen" der von Gott geoffenbarten Wahrheiten rührt hierher.

Hacker gebraucht in diesem Zusammenhang ein hilfreiches Bild: Der Inhalt des Glaubens wird bei Luther sozusagen als Fläche verstanden, die die Aufgabe hat, den Strahl des Glaubens so aufzufangen, dass er gewissheitsbildend beziehungsweise existenzerfüllend ins Ich zurückfallen kann.

Drei weitere bemerkenswerte Beobachtungen Hackers hängen mit diesem Urleitmotiv Lutherschen Denkens aufs engste zusammen: Zunächst sieht Hacker diese systematische Grundoption in engster Nähe zu den spirituellen Erfahrungen des Reformators jener Zeit, die sich durch „Ichbezogenheit" und unverhohlene „Selbstherrlichkeit" auszeichnen. Sodann kann er aufzeigen, welch deutliche Spuren die neue Glaubenskonzeption Luthers in weiteren zentralen Traktaten der Theologie ausübt. So etwa in dessen Verständnis der göttlichen Tugend der Liebe: Geht in der klassischen Tugendlehre, wie wir sie in besonders vollkommener Form beim heiligen Thomas von Aquin finden, das Ich aus sich heraus, „beugt es sich im reflexiven Glauben auf sich selbst zurück."

Luthers verkürzte Sicht der Sakramente

Auch die Sakramente (etwa das Bußsakrament) bewirken nicht mehr, was sie bezeichnen, vielmehr kommt es ihnen lediglich zu, „Frieden und Trost" zu spenden. Zuletzt ist unschwer zu erkennen, dass hier nicht nur die Begründung der Wahrheit des Seienden auf der Selbstgewissheit des Denkenden bei Descartes, sondern auch die anthropozentrische Wende der Theologie, die mit dem Fortschreiten der Neuzeit immer weitere Kreise zu erfassen im Stande war, eine ihrer Wurzeln hat: Verschiebt sich doch die Stellung des Ich kontinuierlich, so daß der zurückkehrende Strahl dieses nicht mehr recht zu treffen vermag und die vermittelnde Fläche beziehungsweise der Glaubensinhalt so stets nach der jeweiligen Stellung des „Ich" verschoben werden muss.

Nicht mehr die Bewahrung der anvertrauten Botschaft (1 Tim 6, 20), Tröstung durch Gewißheit und Existenzerfüllung bekommen nun den ersten Stellenwert. Von hier aus erklärt sich auch der Untertitel des Werkes der amerikanischen Übersetzung, der bei der deutschen Neuauflage übernommen wurde: „Der Ursprung der anthropozentrischen Religion".

Wenn man auch im Hinblick auf die Entwicklung der „anthropozentrischen Religion" nicht nur monokausal auf Luther, sondern auch auf Bewegungen innerhalb der nachtridentinischen katholischen Theologie und der spätscholastischen Philosophie blicken sollte. Spätestens an dieser Stelle zeigt sich, dass dieses Buch alles andere denn eine antiquarische Angelegenheit ist. Wenn es wahr ist, daß heute der große spaltende Graben in der Christenheit nicht so sehr die verschiedenen Konfessionen voneinander trennt, als vielmehr zwischen einem theozentrischen Verständnis des Christentums auf der einen und einer anthropozentrischen Entstellung des christlichen Glaubens auf der anderen Seite verläuft, wird man Kardinal Ratzinger unbedingt Recht geben, der davon sprach, daß in diesem Buch und seiner „Leidenschaft zur Wahrheit" ein „Ferment liegt, das dem ökumenischen Gespräch nur dienen kann."



Mit Vorwort von Papst Benedikt XVI.
ISBN 978-3-936741-62-9; Erscheinen: lieferbar
318 Seiten; Format: 15,3 x 21,3 cm, Hardcover, Fadenheftung
Bestell-Nr.: 978-3-936741-62-9 Preis: 29,50 EUR Direkt bestellen  Direkt bestellen Warenkorb  In den Warenkorb
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